Konfidenz und Faszinationskommunikation - Vertrauen generierende und Faszination stimulierende Situativstrategien der Bundeskanzler Helmut Kohl und Gerhard Schröder am Beispiel der Neujahrsansprachen, ZDF-Sommerinterviews und Bulletins 1994 bis 2002

The communication of trust and fascination - Situative strategies of the chancellors Helmut Kohl and Gerhard Schröder under special consideration of their New Year's speeches, the ZDF-Summer-Interviews and the Bulletins 1994 till 2002

  • Strategien politischer Akteure, die dazu führen, dass der Akteur für den Rezipienten vertrauenswürdig beziehungsweise faszinierend erscheint, sind bisher unerforscht. Um diese Forschungslücke zu schließen, wird die bisher gängige Forschungsperspektive gedreht und der Akteur in das Zentrum der Analyse gestellt. Das Forschungsdesign verschränkt individuelle Kommunikationskonzepte, situative Bedingungen und Verhaltensdispositionen diametraler Kommunikationstypen mit der verbalen Analyse der Phänomene "Vertrauen" und "Faszination". Mit Helmut Kohl und Gerhard Schröder wurden diametrale Kommunikationstypen ausgewählt und mit den Bulletins, den Neujahrsansprachen und den ZDF-Sommerinterviews ein angemessener Querschnitt ihrer Regierungskommunikation untersucht. Die verbale Analyse der Quellen legt ein strukturelles Gerüst spezifischer Faktoren beider Kommunikationsphänomene frei. Konfidenzkommunikation besteht aus Aktions-, Personen- und Funktionsvertrauen. Aktionsvertrauen korrespondiert mit der entsprechenden Regulierungserwartung derStrategien politischer Akteure, die dazu führen, dass der Akteur für den Rezipienten vertrauenswürdig beziehungsweise faszinierend erscheint, sind bisher unerforscht. Um diese Forschungslücke zu schließen, wird die bisher gängige Forschungsperspektive gedreht und der Akteur in das Zentrum der Analyse gestellt. Das Forschungsdesign verschränkt individuelle Kommunikationskonzepte, situative Bedingungen und Verhaltensdispositionen diametraler Kommunikationstypen mit der verbalen Analyse der Phänomene "Vertrauen" und "Faszination". Mit Helmut Kohl und Gerhard Schröder wurden diametrale Kommunikationstypen ausgewählt und mit den Bulletins, den Neujahrsansprachen und den ZDF-Sommerinterviews ein angemessener Querschnitt ihrer Regierungskommunikation untersucht. Die verbale Analyse der Quellen legt ein strukturelles Gerüst spezifischer Faktoren beider Kommunikationsphänomene frei. Konfidenzkommunikation besteht aus Aktions-, Personen- und Funktionsvertrauen. Aktionsvertrauen korrespondiert mit der entsprechenden Regulierungserwartung der Rezipienten. Über Personenvertrauen versucht der Akteur, eine gemeinsame emotionale Basis mit dem Rezipienten herzustellen. Funktionsvertrauen ist Vertrauen in das politische Funktionssystem und löst in verschiedenen Zeitdimensionen das Problem der riskanten Vorleistung des Rezipienten. Der Akteur reduziert die soziale Kontingenz und versucht, die Zukunftsoffenheit gesellschaftlicher Situationen in Sicherheit umzuwandeln. Ferner veranlasst er den Rezipienten zur Abwägung von kritischen Alternativen. Die Befunde zeigen bei beiden Kommunikationstypen in der Grundstruktur einen kongruenten Aufbau. Die Detailstruktur des Funktionsvertrauens weist allerdings gravierende Unterschiede auf. Kohl generiert in den Neujahrsansprachen, konstituiert durch Werteofferten und Anerkennungsreferenzen, stärker idealisierende Vertrauensfaktoren. Schröder hingegen setzt auf Optimierung und rekurriert entsprechend häufiger auf Erfolgsparadigmen und Zuversichtsofferten. Kohl entwickelt im Modus der Sommerinterviews noch weniger Optimismus als in seinen Neujahrsansprachen. Er räumt der Kontrastierung Priorität ein. Die Verwendung idealisierender insbesondere auch optimierender Konfidenzfaktoren nimmt ab. Dem Problem der doppelten Kontingenz begegnet Kohl, indem er eine vertraute Welt kommuniziert. In stereotypen Inszenierungen präsentiert er sich als berechenbarer Faktor. Mit Hinweisen auf ein konsistentes Wertesystem versucht er, die soziale Kontingenz seiner Regulierungsofferten zu reduzieren. Idealisiert und als replizierbar angesehen schwingt das Gestern in Zukunftsentwürfe über. Der Darstellung konkreter Regulierungsofferten räumt Kohl gegenüber der retrospektiven und perspektivischen Erfolgspräsentation Vorrang ein. Schröder sichert seine Regulierungsmaßnahmen durch die Aktivierung von Optimismus und Zuversicht ab. Mit Zuversichtsofferten und Erfolgsparadigmen favorisiert er Erfolgsdarstellungen vor der Auflistung konkreter staatlicher Maßnahmen. Das Problem der doppelten Kontingenz löst er auf, indem er erstens in seiner Selbstdarstellung ein hohes Maß an Bereitschaft signalisiert, Vertrauen übertragen zu bekommen. Der Zustand der Zukunftsunsicherheit wird zweitens aufgelöst durch eine Metaphorik, die an alltagspraktische Vertrautheit anknüpft. Drittens wird die Gegenwart substituiert durch massive Aktivierung von Zukunftsoptimismus. Zuversichtsofferten leiten Zukunftsinhalte in Gegenwart über. Die Gegenwart selbst füllt Schröder mit kongruenten interaktiven Botschaften aus. Faszinationskommunikation setzt sich zusammen aus Faszination "Persönlichkeit", Faszination "Identität" und Faszination "Visionen". Mit Hilfe von Faszination Persönlichkeit weist der Akteur auf seine außeralltäglichen Fähigkeiten hin, vermittelt Leidenschaft und demonstriert dem Rezipienten sein energetisches Potenzial zur Regulierung der Unsicherheiten der Zukunft. Faszination Identität hebt kollektive Stärken hervor und benennt außeralltägliche Fähigkeiten des Rezipienten, die ihn dafür prädestinieren, an einer idealisierten Zukunft teilzunehmen. Die Suggestion von Gemeinschaft verbindet disparate gesellschaftliche Gruppen. Ferner wird der Rezipient dazu aufgefordert, Dispositionen für seine eigene Zukunft zu treffen. Faszination Visionen beinhaltet sinnstiftendes Potenzial durch visionäre Einzelziele sowie langfristige Kollektivaufgaben. Die soziale Komplexität wird auf positives Erleben reduziert, die Risikowahrnehmung minimiert. Der Rezipient erhält die Chance, durch sein Engagement selbst Teil einer erfüllten Zukunft zu werden. Die Befunde zeigen bei beiden Kommunikationstypen in den Neujahrsansprachen einen kongruenten Aufbau. Kohl und Schröder stimulieren Faszination aus gleich starken Anteilen an "Faszination Visionen" sowie "Faszination Identität". Verbale Selbstaufwertungen der Akteure spielen nur eine untergeordnete Rolle. In den Sommerinterviews kommt es je nach Kommunikationstyp zu signifikanten Umschichtungen. Kohl aktiviert insbesondere Selbstaufwertungen. Parallel dazu lassen seine in den Neujahrsansprachen gezeigten Stärken deutlich nach. Er reduziert die Impulse, die Identität der Rezipienten zu stärken sowie Gemeinschaft zu simulieren und schöpft sein Potenzial an Orientierungen nicht aus. Schröder gelingt es dagegen, seine Potenziale weitgehend konstant hoch zu halten. Dominierend bleibt der Datenbestand "Faszination Visionen". "Faszination Identität" behält ebenfalls einen hohen Aktivierungsgrad durch stabil hohe Aktivierungen von Fremdaufwertungen. Diese Arbeit argumentiert, dass es zu den im medialen Politikprozess praktizierten symbolischen Handlungen und Inszenierungen sprachliche Äquivalente gibt. Mit dem Erklärungsmodell einer Konfidenz- und Faszinationskommunikation wird dem Rezipienten ein Instrumentarium zur Dekodierung komplexer Vertrauens- und Faszinationskonstruktionen angeboten. Der politische Akteur erhält gleichzeitig eine systematische Grundlage, die eigenen Vertrauens- und Faszinationspotenziale gezielt zu optimieren.zeige mehrzeige weniger
  • Politicians' strategies which let them appear more trustworthy or more fascinating in the audience's eyes are hitherto unexplored. To close this gap of research this thesis turns the established perspective and moves the policy maker centre stage. The research design applied combines the examination of different communication concepts, situative conditions and the personal demeanor of diametrical communicators with the analysis of the phenomena trust und fascination. Chancellors Helmut Kohl and Gerhard Schröder are such diametrical communicators and the Bulletins of the federal government, the New Year's speeches and the ZDF-Summer-Interviews form a representative textual source. The close analysis of the material reveals specific structural patterns for both phenomena. The communication of trust is composed of trust in action, trust in the person and trust in the functional capability of the system. Trust in action answers an assumed underlying expectation of regulation the part of the audience. By generating trust in the person thePoliticians' strategies which let them appear more trustworthy or more fascinating in the audience's eyes are hitherto unexplored. To close this gap of research this thesis turns the established perspective and moves the policy maker centre stage. The research design applied combines the examination of different communication concepts, situative conditions and the personal demeanor of diametrical communicators with the analysis of the phenomena trust und fascination. Chancellors Helmut Kohl and Gerhard Schröder are such diametrical communicators and the Bulletins of the federal government, the New Year's speeches and the ZDF-Summer-Interviews form a representative textual source. The close analysis of the material reveals specific structural patterns for both phenomena. The communication of trust is composed of trust in action, trust in the person and trust in the functional capability of the system. Trust in action answers an assumed underlying expectation of regulation the part of the audience. By generating trust in the person the politician tries to create a common emotional basis with his audience. Trust in the functional capability solves the audience's problem of the risky input with regard of the future. The politician reduces the social contingency and attempts to convert the uncertainty of the future into security. In addition he provokes the audience to consider critical alternatives. Although the results show a comparable, almost congruent basic structure for both communication types, the ascetic as well as the hedonist, the details of how both types try to create trust in the functional capability are significantly different. Whereas Kohl, especially in his New Year's speeches, by referring to value systems and making use of acknowledgments, puts a strong emphasis on so called idealizing trust factors, Schröder stresses optimization and points to political achievements and offers of confidence. In the summer-interviews Kohl shows even less optimism than in the New Year's speeches. He prefers the method of contrasting his policy with that of his political opponents. The use of idealizing and optimizing trust factors is reduced. Kohl responds to the problem of double contingency by communicating a familiar world. In presenting himself in an almost stereotypical manner he wishes to convey reliability and predictability. By trying to convey a consistent value system he aims to reduce the social contingency of his regulation offers. An idealized and repeatable past continues to inspire the present and is carried over into the future. Kohl prefers offering clear regulatory measures to presenting past achievements or promising future achievements. Schröder safeguards his regulatory measures by displaying optimism and confidence. He clearly prioritizes past achievements over regulatory measures. Schröder tackles the problem of double contingency by signaling his willingness and ability to make good use of the trust conferred onto him. Secondly, he resolves the state of uncertainty with regard to the future by using images and metaphors taken from familiar every day life. Thirdly, he substitutes the presence with a massive activation of optimism in regard of the future. Offers of confidence are being transferred into concrete future concepts. The presence itself is filled with congruent interactive messages. The communication of fascination consists of three main elements: fascination with regard to the politician's personality, fascination with regard to a collective identity and fascination with regard to visions. When seeking to fascinate the audience by way of his personality the politician stresses his exceptional capabilities, communicates passion and demonstrates his energetic potential to regulate the uncertainties of the future; when trying to arouse fascination with regard to a collective identity the speaker calls upon individual and collective strengths and highlights the audience's exceptional capabilities which predestine them to be part of a glorious future. He creates a sense of community among different social groups. The audience is encouraged to make decisions for their own future. When stimulating fascination with regard to visions the politician evokes visionary goals as well as longterm collective tasks. Social complexity is reduced to common positive experience and risk awareness is at an absolute minimum. Moreover the audience is given the opportunity through their own engagement and efforts to participate in a promising fulfilling future. Concerning the New Year's speeches the results reveal a congruent configuration of the principal components for stimulating fascination with both types of communicators, the ascetic as well as he hedonist. Kohl and Schröder both stimulate fascination by resorting in equal parts to arousing fascination with regard to a collective identity as well as to visions. Verbal self appraisals of the politicians are only playing a minor role. Within the genre of the summer interviews significant differences between the two types of political communicators become evident. Kohl particularly uses self appraisal. He reduces his impulses to strengthen the audience' s identity as well as to simulate community. Kohl is not able to make full use of his potential to provide orientation. Schröder on the other hand succeeds in keeping his potentials to stimulate fascination at a constant high. At the same time he seeks to fascinate his audience by creating a collective identity and presenting visions while constantly referring to the audience's collective excellence. This thesis argues that there is a verbal equivalent to symbolic actions in the political media process. With the proposed interpretative model the audience is given a method to decode and understand how politicians generate trust and try to elicit fascination on the part of the audience; the politician on the other hand is given a systematic base to optimize well directed his own potentials of generating trust and stimulating fascination.zeige mehrzeige weniger

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Metadaten
Verfasserangaben: Heinrich Georg Neumann
URN:urn:nbn:de:kobv:b170-opus-261
Gutachter*in:Prof. Dr. Annamaria Rucktäschel
Dokumentart:Dissertation
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):21.08.2006
Veröffentlichende Institution:Universität der Künste Berlin
Titel verleihende Institution:Universität der Künste Berlin, Fakultät Gestaltung
Datum der Abschlussprüfung:20.07.2006
Datum der Freischaltung:21.08.2006
Freies Schlagwort / Tag:Faszinationskommunikation; Konfidenzkommunikation; Kontingenz
contingency; fascination; trust
GND-Schlagwort:Kontingenz; Faszination; Kommunikation; Massenkommunikation; Politische Kommunikation; Vertrauen
Fakultäten und Einrichtungen:Fakultät Gestaltung / Institut für Theorie und Praxis der Kommunikation
DDC-Klassifikation:7 Künste und Unterhaltung / 70 Künste / 700 Künste; Bildende und angewandte Kunst
Lizenz (Deutsch):Keine Lizenz – Urheberrechtsschutz
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