Syntaktische und semantische Verarbeitung auditorisch präsentierter Sätze in kortiko-basalen Hirnstrukturen : eine EKP-Studie

Syntacic and semantic processing of auditory presented sentences within cortico-basal brain structures : an ERP-study

  • Seit den Anfängen empirisch-neurowissenschaftlicher Forschung gilt Sprachkompetenz zuvorderst als eine Leistung der Hirnrinde (Kortex), jedoch wurden v. a. im Zuge sich verbessernder bildgebender Verfahren aphasische Syndrome auch nach Läsionen subkortikaler Hirnregionen, insbesondere der Basalganglien und des Thalamus nachgewiesen. Diese Strukturen liegen in der Tiefe des Gehirns und kommunizieren über weit gefächerte Faserverbindungen mit dem Kortex. In erster Linie werden den Basalganglien senso-motorische Kontrollfunktionen zugewiesen. Dementsprechend werden diverse Erkrankungen, die durch Störungen physiologischer Bewegungsabläufe gekennzeichnet sind (z. B. Morbus Parkinson, Chorea Huntington), auf Funktionsdefekte dieser Strukturen zurückgeführt. Der Thalamus wird häufig als Relaisstation des Informationsaustauschs zwischen anatomisch entfernten Arealen des Nervensystems aufgefasst. Basalganglien und Thalamus werden jedoch auch darüber hinausgehende Funktionen, z. B. zur Bereitstellung, Aufrechterhaltung und Auslenkung vonSeit den Anfängen empirisch-neurowissenschaftlicher Forschung gilt Sprachkompetenz zuvorderst als eine Leistung der Hirnrinde (Kortex), jedoch wurden v. a. im Zuge sich verbessernder bildgebender Verfahren aphasische Syndrome auch nach Läsionen subkortikaler Hirnregionen, insbesondere der Basalganglien und des Thalamus nachgewiesen. Diese Strukturen liegen in der Tiefe des Gehirns und kommunizieren über weit gefächerte Faserverbindungen mit dem Kortex. In erster Linie werden den Basalganglien senso-motorische Kontrollfunktionen zugewiesen. Dementsprechend werden diverse Erkrankungen, die durch Störungen physiologischer Bewegungsabläufe gekennzeichnet sind (z. B. Morbus Parkinson, Chorea Huntington), auf Funktionsdefekte dieser Strukturen zurückgeführt. Der Thalamus wird häufig als Relaisstation des Informationsaustauschs zwischen anatomisch entfernten Arealen des Nervensystems aufgefasst. Basalganglien und Thalamus werden jedoch auch darüber hinausgehende Funktionen, z. B. zur Bereitstellung, Aufrechterhaltung und Auslenkung von Aufmerksamkeit bei der Bearbeitung kognitiver Aufgaben zugesprochen. In der vorliegenden Arbeit wurde mit elektrophysiologischen Methoden untersucht, ob auf der Ebene von Thalamus und Basalganglien kognitive Sprachleistungen, spezifisch der syntaktischen und semantischen Verarbeitung nachgewiesen werden können und inwieweit sich eventuell subkortikale von kortikaler Sprachverarbeitung unterscheidet. Die Untersuchung spezieller Sprachfunktionen der Basalganglien und des Thalamus ist im Rahmen der operativen Behandlung bewegungsgestörter Patienten mit der sog. Tiefenhirnstimulation (DBS = engl. Deep Brain Stimulation) möglich. Hierbei werden Patienten mit Morbus Parkinson Stimulationselektroden in den Nucleus subthalamicus (STN) implantiert. Bei Patienten mit generalisierten Dystonien erfolgt die Implantation in den Globus pallidus internus (GPI) und bei Patienten mit essentiellem Tremor in den Nucleus ventralis intermedius (VIM). STN und GPI sind Kernareale der Basalganglien, der VIM ist Teil des motorischen Systems. Nach der Implantation besteht die Möglichkeit, direkt von diesen Elektroden elektroenzephalographische (EEG)-Signale abzuleiten und diese mit simultan abgeleiteten Oberflächen-EEG zu vergleichen. In dieser Arbeit wurden DBS-Patienten aus allen genannten Gruppen in Bezug auf Sprachverständnisleistungen untersucht. Neben der Präsentation korrekter Sätze hörten die Patienten Sätze mit syntaktischen oder semantischen Fehlern. In verschiedenen Studien wurden an der Skalp-Oberfläche EKP-Komponenten (EKP = ereigniskorrelierte Potentiale) beschrieben, welche mit der Verarbeitung solcher Fehler in Verbindung gebracht werden. So verursachen syntaktische Phrasenstrukturverletzungen eine frühe links-anteriore Negativierung (ELAN). Dieser Komponente folgt eine späte Positivierung (P600), die mit Reanalyse und Reparaturmechanismen in Verbindung gebracht wird. Semantische Verletzungen evozieren eine breite Negativierung um 400ms (N400). In den thalamischen Ableitungen wurden zwei zusätzliche syntaktische fehlerbezogene Komponenten gefunden, die (i) ~ 80ms nach der Skalp-ELAN und (ii) ~ 70ms vor der Skalp-P600 auftraten. Bei semantischen Verletzungen wurde im Thalamus ein fehlerbezogenes Potential nachgewiesen, welches weitgehend parallel mit dem am Skalp gefundenen Muster verläuft. Aus den Ergebnissen der vorliegenden Studie folgt, dass der Thalamus spezifische Sprachfunktionen erfüllt. Komponenten, die Sprachverarbeitungsprozesse reflektieren, konnten in den Basalganglienstrukturen STN und GPI nicht identifiziert werden. Aufgrund der erhobenen Daten werden zwei getrennte Netzwerke für die Verarbeitung syntaktischer bzw. semantischer Fehler angenommen. In diesen Netzwerken scheint der Thalamus spezifische Aufgaben zu übernehmen. In einem ‚Syntaxnetzwerk’ kommunizieren frontale Hirnstrukturen unter Einbeziehung des Thalamus mit parietalen Hirnstrukturen. Dem Thalamus wurde eine Mediationsfunktion in der syntaktischen Reanalyse zugesprochen. In einem ‚Semantiknetzwerk’ waren keine eindeutig zuordenbaren Prozesse auf thalamischer Ebene nachweisbar. Es wurde eine unscharfe, jedoch aber spezifische Aktivierung des Thalamus über den gesamten Zeitraum der kortikalen semantischen Analyse gezeigt, welche als Integration verschiedener Analysemechanismen gewertet wurde.show moreshow less
  • Since the beginning of empirical neuroscientific research language competence has been primary localized at the brain cortex. Improved functional neuroimaging techniques were able to localize lesions in structures which caused aphasic syndromes. These syndromes were particularly found after lesions of the basal ganglia and the thalamus These structures are located in the depth of the brain and communicate over widespread fiber connections with the cortex. Sensori-motor control functions are primarily assigned to the basal ganglia. Various diseases, which are characterized by disturbances of physiological courses of motion (e.g. Parkinson’s disease, Chorea Huntington) are attributed to function defects of these structures. The thalamus was originally understood as a simple relay station of information exchange between various cortical areas of the nervous system. However, additional functions were assigned to the basal ganglia and thalamus, e.g. maintenance and deflection of attention while processing of cognitive tasks. Within theSince the beginning of empirical neuroscientific research language competence has been primary localized at the brain cortex. Improved functional neuroimaging techniques were able to localize lesions in structures which caused aphasic syndromes. These syndromes were particularly found after lesions of the basal ganglia and the thalamus These structures are located in the depth of the brain and communicate over widespread fiber connections with the cortex. Sensori-motor control functions are primarily assigned to the basal ganglia. Various diseases, which are characterized by disturbances of physiological courses of motion (e.g. Parkinson’s disease, Chorea Huntington) are attributed to function defects of these structures. The thalamus was originally understood as a simple relay station of information exchange between various cortical areas of the nervous system. However, additional functions were assigned to the basal ganglia and thalamus, e.g. maintenance and deflection of attention while processing of cognitive tasks. Within the present investigation thalamic and basal ganglia achievements in language processing were studied with electro-physiological methods to investigate differences between cortical and subcortical processes. The investigation of special language functions of the basal ganglia and the thalamus is possible in the context of the surgical treatment of movement-disordered patients with "Deep Brain Stimulation (DBS)". Stimulation electrodes have been implanted to patients with Parkinson’s disease into the subthalamic nucleus (STN), patients with generalized dystonia into the globus pallidus internus (GPi), and patients suffering from essential tremor into the ventral intermediate nucleus of the thalamus (VIM). STN and GPi are core areas of the basal ganglia, the VIM is part of the motor system. EEG-signals may be derived directly from these implanted electrodes and be compared to the simultaneously derived signals of a surface EEG. In this thesis DBS patients from all groups mentioned above were examined regarding language understanding achievements. The patients listened to sentences, which were either correct or syntactical or semantical incorrect. Different studies described scalp ERP components (ERP = event related potentials) which occurred after different types of errors in sentences. Thus, syntactic phrase structure violations cause an early left anterior negativity (ELAN). A late positivity (P600) follows this component and was hypothesized as a reflection of syntactical reanalysis and/or repair. Semantic violations evoke a broad negativity around 400ms (N400). In the thalamic EEG two additional syntactic components were identified, which were seen (i) ~ 80ms after the scalp ELAN and (ii) ~ 70ms before the scalp-P600. At thalamic level semantic violations caused a negativity, which parallels largely with the negativity found at the scalp. The results of this study suggest, that the thalamus fulfills specific language functions. In the basal ganglia structures (GPI and STN) no language specific components were found. Due to the collected data two separate networks are suggested for the processing of syntactic and/or semantic errors. In these networks the thalamus seems to fulfill specific tasks. In a "syntax network” frontal brain structures communicate with parietale brain structures via the thalamus. The function of the thalamus in this network is the mediation of the syntactic reanalysis. In a "semantic network” no clearly classified processes were proved at thalamic level, because of a similarity of thalamic and scalp signals. However, during the entire period of the cortical analysis activation of the thalamus was apparent. This activation was rated as integration of different analysis mechanisms.show moreshow less

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Metadaten
Author details:Michael WahlGND
URN:urn:nbn:de:kobv:517-opus-14247
Supervisor(s):Douglas ( Saddy, Fabian (PD Klostermann, Ria De Bleser
Publication type:Doctoral Thesis
Language:German
Publication year:2007
Publishing institution:Universität Potsdam
Granting institution:Universität Potsdam
Date of final exam:2007/06/08
Release date:2007/06/22
Tag:Basalganglien; EKP; Sprachverarbeitung; Thalamus
ERP; basal ganglia; language processing; thalamus
RVK - Regensburg classification:CP 6500
RVK - Regensburg classification:ER 810
RVK - Regensburg classification:ER 980
Organizational units:Humanwissenschaftliche Fakultät / Strukturbereich Kognitionswissenschaften / Department Linguistik
DDC classification:1 Philosophie und Psychologie / 15 Psychologie / 150 Psychologie
Institution name at the time of the publication:Humanwissenschaftliche Fakultät / Institut für Linguistik / Allgemeine Sprachwissenschaft
License (German):License LogoCreative Commons - Namensnennung, Nicht kommerziell, Weitergabe zu gleichen Bedingungen 2.0 Deutschland
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